Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber in meiner Kindheit gab es Leute, die Sätze zu mir gesagt haben, die sich auf ewig in mein Gehirn gebrannt haben. Wenn man auf diese Sätze zurückblickt, wünscht man sich, etwa wie in der Fabelhaften Welt der Amélie, einen Souffleur gehabt zu haben, der einem die passende Entgegnung hilfreich servieren hätte können. Ich will mal zwei Beispiele geben.
"Das hab ich mir schon gedacht. So viele Sachen hättest du dir ja auch nicht merken können." sagte noch zu DDR-Zeiten eine Grundschullehrerin zu mir. Diese Person hatte auch andere Einfälle parat. So etwa eine alleinstehende Tafel im Klassenraum, auf der die ersten zwei oder drei Buchstaben der Vornamen jedes Schülers zu lesen waren, wahlweise in weiß (schlecht) oder rot (gut). Es handelte sich dabei quasi um eine verschärfte Form der Kopfnoten (die wir damals natürlich auch hatten), in diesem Fall "Betragen". Die Namenskürzel konnten wahlweise noch um bis zu zwei Striche in der jeweiligen Farbe ergänzt werden, um das gute oder schlechte Betragen noch deutlicher zu brandmarken. Sammelte man einen dritten Strich auf, gab es eine gute (rot) oder schlechte (weiß) Note. Zurück zu obigem Satz: Diesen sagte sie, als sie mich beim Einkaufen in der örtlichen Kaufhalle antraf. Für DDR-Unkundige: Das war so etwas wie ein Supermarkt, nur dass die Verpackungen nicht so bunt waren und das Wort super noch nicht erfunden war. Sie sagte den Satz, nachdem sie meine Mutter bemerkt hatte und brachte damit unmissverständlich zum Ausdruck, dass alleine einzukaufen unmöglich zu meinen Fähigkeiten zählen konnte. Auf die Idee, dass selbst ein achtjähriger Junge einen Einkaufszettel dabeihaben könnte, schien sie nicht gekommen zu sein.
Der zweite Satz, den ich hier nennen will, stammt aus meiner Fahrschulzeit. Mein Fahrlehrer, sonst ein gemütlicher Typ, der während unsere Fahrten liebend gern die Aktienkurse im Radio hörte und seine Sätze gerne mit "wa hö hm?" abschloss, fuhr das erste mal mit mir zur Tankstelle und ließ mich tanken. Ich stieg also aus und öffnete den Tankklappe, schraubte den Deckel ab und suchte nach einer Ablagemöglichkeit. Beim VW Passat muss(te) man den Deckel oben auf die Klappe stecken, wofür zwei Schlitze im Deckel zur Verfügung staden. Ich fand diese Möglichkeit jedoch nicht binnen zwei Sekunden, was ihn zu der Bemerkung veranlasste: "Na handwerklich hastet aber nich so, wa hö hm?".
Noch heute wünsche ich mir, in diesen Momenten eine passende Entgegnung parat gehabt zu haben. Rückblickend ärgert mich hauptsächlich, wie sehr diese Personen eine vorschnelle Einschätzung trafen. Sie strotzen vor Arroganz und Herablassung, im zweiten Fall fällt der Satz sogar auf den Sprecher zurück. Wie armselig, über jemand anderen zu spotten, wenn dieser etwas nicht sofort begreift, womit man selbst seit Jahr und Tag zu tun hat und diesen Vorsprung deutlich zeigen muss.