1959: Nach einem Flugzeugabsturz findet sich unser Protagonist Jack im Ozean wieder, inmitten brennender Wrackteile. In Schwimmweite ist eine kleine, unwirklich anmutende Insel in Form eines Hauses mit einer Treppe zu sehen. Bei näherer Inspizierung stellt sich heraus, dass es sich um einen Zugangspunkt zu einer Unterwasserstadt handelt. Mit Hilfe eines speziellen Gefährts tauchen wir ein in die Welt von "Rapture" (engl. Verzückung, Freudentaumel, Tiefenrausch).
Die Stadt ist mit viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt. Architektur und Gestaltung der Umgebung erinnern an das, was man auf Fotos aus den 30er bis 50er Jahren gesehen hat. Ein gewisser Andrew Ryan soll sie gebaut haben. Doch noch ehe wir richtig in der Stadt "gelandet" sind, wird unser Empfangskomitee von einer mit Haken statt Händen versehenen Figur entzweit. Jacks einzige Orientierung ist ein Notfall-Funkempfänger, über den ihn eine wohlwollende Person namens Atlas in die Gepflogenheiten und Tugenden von Rapture einführt. Ganz oben auf der Liste steht: Überleben.
Vieles in Rapture ist anders als man zunächst glaubt, oder vielmehr: als uns glauben gemacht wird. Und so kommt es, dass Atlas eine viel tiefere Figur ist als zunächst vermutet, verwickelt in einen Kampf um die Vorherrschaft in Rapture.
In der Unterwasserstadt
Die Stadt fängt uns ein mit einer Erzähltechnik, die zum Erforschen der Welt drängt. Neben den Nachrichten von Atlas findet man überall in der Stadt verstreut Tagebücher in Kassettenform, die aus dem Leben in Rapture erzählen, bevor die Stadt unter Wilderei, Selbstjustiz und Bürgerkrieg zu leiden begann. So entfaltet sich auch die eigentliche Geschichte, mitsamt der Verbindungen und Beziehungen der Bewohner der Unterwasserstadt. Die Story wirkt zunächst etwas künstlich, nimmt aber durch die mit Sorgfalt verfassten Tagebücher und eine subtile Vielschichtigkeit später Gestalt an. Auch die auftretenden Charaktere sind spannend zu beobachten und detailverliebt inszeniert. Insgesamt ergibt sich ein schlüssiges Bild: Die später im Spiel aufgezeigten Querverbindungen überraschen und wirken kaum aufgesetzt oder störend. Letztlich trägt auch die bemerkenswerte Grafik des Spiels zum Gesamteindruck bei (obwohl ich da ein bisschen mutmaßen muss, weil mein Rechner schon zu kämpfen hatte).
Nur Wenig Neues
Allerdings sind weder Atmosphäre noch Spielprinzip neu. Nahezu alle Schlüsselelemente sind dem "spirituellen Vorgänger" System Shock 2 (1999) entlehnt. So gab es dort schon "Audio Logs" und eingehende Sprachnachrichten (dort via Cyber-Interface), mit deren Hilfe der Spieler das havarierte Raumschiff erkunden konnte. Ebenso stammen die aufrüstbaren Waffen aus dem Vorgänger, sowie die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten auszugestalten (in Bioshock mittels Genmaterial, in System Shock 2 über Module). Hacking spielte auch schon im Vorgänger eine wichtige Rolle, um günstiger oder einfacher an Gegenstände oder Orte heranzukommen. Das im Vorgänger verwendete, schrittweise Kaputtgehen der Waffen hat man wohl ausgespart, um den Mainstreamspieler nicht zu sehr zu fordern. Dabei war dies gerade eines der wichtigeren Elemente im Prequel, sorgte es doch für mehr Beklemmung und Angst vor Konfrontationen, da das Verteidigungsarsenal ja gerade im ungünstigsten Moment versagen konnte.
Wenig Gutes bleibt auch über das Hacking-System des Spiels zu sagen. Man muss in einem Mini-Puzzle Röhrenteile so aneinander legen, dass eine Flüssigkeit vom Start- zum Zielpunkt fließen kann. Hindernisse erschweren den Weg, ebenso wie das Fließtempo der Substanz. In der überwiegenden Mehrzahl der Puzzles verkommt dieses Spielelement jedoch eher zu einer nervigen Pflichtübung. Im Allgemeinen findet man die Lösung sehr zügig, abgesehen von den meisten Safes, die wiederum absurd schwierig daherkommen. Man fragt sich schon nach kurzer Zeit, warum in einem derat gehypten Blockbuster-Spiel nicht noch ein paar Dollar in alternative Puzzles abgezweigt wurden, um den Spieler nicht all zu sehr zu langweilen.
Technische Ungereimtheiten
Daneben können einem zeitweise technische Schwierigkeiten das Spiel verleiden, etwa die (wie immer) abgrundtief schlechte "Künstliche Intelligenz" der Henchmen, oder aber, dass die sorgfältig gewählte Zuordnung von Gen-Features auf die F-Tasten schonmal durcheinandergewürfelt wird, was man natürlich immer erst im nächsten Gefecht feststellt. Ganz oben auf meiner Mängelliste steht jedoch die Übernahme hirnverbrannter Konsolenbeschränkungen in die PC-Version. Diesmal dabei: die allseits beliebte Obergrenze für Spielstände. Ein Resultat des auf Konsolen häufig engeren Speicherplatzes, über den ich mich als PC-Spieler mit leicht nachrüstbarer Kapazität immer wieder richtig ärgere.
Was die Spielelemente angeht, bleiben mir noch zwei Dinge zu sagen: Zum einen fand ich den tatsächlichen Endgegner
überraschend enttäuschend einfach. Obwohl in diesem letzten Gefecht weder gespeichert noch wiederbelebt werden konnte, brauchte ich nur einen Versuch, um ihn zu bezwingen. Im Übrigen halte ich diesen Eingriff in die Spieldynamik ohnehin für äußerst fragwürdig. Ein weiterer großer Mangel ist der absolut lineare Spielverlauf, über den auch die sorgfältig gestaltete Handlung nicht hinwegtrösten kann. Auch das gab es z.B. in Deus Ex 1 schon mal deutlich überzeugender. Darüber hinaus stellt sich mir wieder die Frage, warum immer noch verschiedene Schwierigkeitsgrade im Angebot sind. Meiner Meinung nach sollte das Spiel nur mit fortschreitender Handlung schwieriger werden. An Parametern (Trefferwirkung, Gegner-Hitpoints, etc.) zu drehen, ist in meinen Augen einfach überholt.
Fazit
Wenn nun selbst die Entwickler von Irrational Games den Bezug zu System Shock 2 herstellen (einem Spiel aus dem eigenen Haus), dann bleibt nur die traurige Erkenntnis, dass ohne kreative Veteranen wie etwa Warren Spector scheinbar nichts wirklich Neues entsteht. Auch in puncto Atmosphäre bleibt BioShock trotz allem weit hinter dem schon nicht mehr ganz neuen Konkurrenten Half-Life 2 um Längen zurück. Wieder einmal hat man sich in grafischen Finessen verrannt und wieder einmal die Chance verpasst, aus guter Substanz einen echten Meilenstein zu machen. Im direkten Vergleich reizen mich einstweilen Half-Life 2 (es wäre der dritte Durchgang), Deus Ex 1 (fünfter Durchgang) oder eben System Shock 2 (ich habe aufgehört zu zählen) weitaus mehr, sie noch einmal
zu erleben.
In einem Satz
Bioshock ist ein solider, überdurchschnittlich sorgfältig gestalteter Shooter mit einem Hauch Rollenspiel, aber ohne Innovationen.
Weblinks
Wer auch noch an anderen Stimmen zum Spiel interessiert ist, sollte auf der
Kritik-Aggregatorseite Metacritic fündig werden, insbesondere dem
Review bei Gamecritics konnte ich in vielen Punkten zustimmen. Interessanterweise schneidet das Spiel aus der Sicht des gemeinen Spielermobs schlechter ab als in der Fachpresse.
Und noch ein technischer Punkt: Das Tool zur Rücknahme der lächerlichen Spielaktivierung fndet sich in den
Untiefen des Take2-Supports.